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1011 – novum castellum
Die Geschichte von Neuchâtel beginnt unter dem Arelat, einem zweiten burgundischen Königreich, das sich von der Mittelmeerküste bis nach Basel erstreckte. Unter der Herrschaft von Rudolf III. (993-1032) wurde im Jahre 1011 erstmals eine „neue Burg“, novum castellum auf Latein, erwähnt. Folglich handelte es sich um neue Gründung handelt. Außerdem erfährt man, dass die Burg auf einem Hügel errichtet wurde, von dem aus man Ebene und See überblickt – höchstwahrscheinlich dort, wo sich heute der Gefängnisturm (Tour des Prisons) befindet.
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Die Urkunde, welche die Schenkung Rudolfs III. von Burgund an seine Frau bezeugt:
"e dono ei novum castellum, regalissiman sedem, cum servis et ancillis et omnibus appendiciis suis"
Der Name der Stadt fand über Nuefchastel (1251), Neufchastel (1338) und Neufchâtel (Ende 17. Jh.) zu seiner heutigen Form, die in der ersten Hälfte des 18. Jh. in Gebrauch kam. Der deutsche Name der französischsprachigen Stadt, die nicht weit von der deutschen Sprachgrenze entfernt liegt – Neuenburg – ist ebenfalls seit langem überliefert.
1033-1395 -
Das Haus Neuenburg
Ein Jahr nach dem Tod Rudolfs III. fällt das Königreich Burgund an das Heilige Römische Reich Deutscher Nation. In der verlassenen Burg von Neuchâtel lässt sich die Adelsfamilie der Fenis nieder, die bald den Namen des Ortes annimmt und damit das Haus Neuenburg begründet. Die bekannteste und abenteuerlustigste Persönlichkeit aus diesem Geschlecht war Graf Ludwig (1305-1373), der in mehrere europäische Kriege des 14. Jh. verwickelt war und das berühmte Kenotaph in der Stiftskirche errichten ließ.
1395-1707 - Unter den Zähringern, den Markgrafen von Baden-Hochberg und dem Haus Orléans-Longueville
Am Ende des 14. Jh. geht die Grafschaft Neuenburg durch Heirat in den Besitz der Grafen von Freiburg über, deren Herrschaft ein halbes Jahrhundert (1395-1458) währt. In der Folge fällt sie an die Markgrafen von Baden-Hochberg (1458-1504) und dann (1504-1707) durch Heirat an das Haus Orléans-Longueville, eine illegale Nebenlinie des französischen Königshauses. Die bekannteste historische Gestalt aus jener Zeit ist Philipp von Hochberg (1454-1503), der zunächst am Hof von Karl dem Kühnen, Herzog von Burgund, und dann am französischen Königshof in Dienst stand. Unter Ludwig XI. und Karl VIII. versah er wichtige Funktionen, als Marschall von Burgund, später als Gouverneur der Provence und schließlich Königlicher Statthalter im Languedoc. Seine hohen Ämter erlaubten es ihm, seine Tochter im Jahr 1504 mit einem Prinzen von königlichem Geblüt zu vermählen: Ludwig von Orléans-Longueville.
Das Adelsgeschlecht französischen Ursprungs regierte Neuenburg bis 1707 – nur unterbrochen von einer 17 Jahre währenden Besetzung durch die eidgenössischen Kantone (1512-1529). Diese hatten die Grafschaft besetzt, unter dem Vorwand sie so zu beschützen (sie standen im Krieg mit Frankreich). Unter der Herrschaft der Orléans-Longueville setzte Guillaume Farel 1530 die Reformation durch. Mit dem Westfälischen Frieden erlangte die Grafschaft 1648 den Rang eines souveränen Fürstentums.
1707-1848 - Unter den Hohenzollern wird Neuenburg preußisch
Als Marie de Nemours im Jahre 1707 ohne direkte Nachkommen starb, machten die Stände von ihrem Recht Gebrauch, selbst einen neuen Fürsten zu wählen. Sie fürchteten vor allem, dass der französische und damit katholische Einfluss überhand nehmen könnte – in einem Land, dessen Bewohner mehrheitlich dem calvinistisch reformierten Bekenntnis anhingen. Um das zu verhindern, boten die Neuenburger die Herrschaft einem reformierten Fürsten an: dem preußischen König Friedrich I. Allerdings war das Fürstentum Neuenburg nie Bestandteil des Königreichs Preußen oder des Heiligen Römischen Reichs. Es war lediglich über eine Personalunion des Hauses Hohenzollern mit Preußen verbunden.
Die Hohenzollern waren 140 Jahre lang Regenten von Neuenburg, mit einem kurzen Zwischenspiel der Franzosen (unter Napoleon zwischen 1806 und 1814). Nach dem Zusammenbruch des französischen Kaiserreichs sprachen die europäischen Großmächte auf dem Wiener Kongress Neuenburg wieder dem preußischen König zu. Gleichzeitig wurde die Aufnahme des Fürstentums in die schweizerische Eidgenossenschaft gestattet.
Neuenburg – Berlin – Neuchâtel
Berlin, damals Hauptstadt von Preußen, ist ebenfalls ein Reiseziel von außerordentlichem historischen und kulturellen Interesse, das auf den Seiten von LatLon-Europe präsentiert wird. Deshalb möchten wir im Zusammenhang mit der preußischen Vergangenheit von Neuchâtel der Verbindung dieser beiden Städte, die 1.000 Kilometer voneinander entfernt liegen, ein wenig auf den Grund gehen. In Neuchâtel erinnern verschiedene Ort an jene Zeit, u.a. die Maison du Prussien (Haus des Preußen) und die Höhle des Königs von Preußen (Grotte du Roi Prusse) am Fluss Doubs (Friedrich Wilhelm III. besuchte sie im Jahr 1814, Friedrich Wilhelm IV. 1842). Die Namen vieler Gaststätten und anderer Orte nehmen Bezug auf Friedrich den Großen, die Universität Neuchâtel wurde 1838 mit Unterstützung aus Berlin gegründet und auch im Historischen Museum von Neuchâtel sind zahlreiche Gemälde und andere Exponate aus preußischer Zeit zu finden.
In Berlin muss man schon ein bisschen genauer hinschauen, aber auch dort finden sich Spuren einer gemeinsamen Vergangenheit. Eine Gemeinsamkeit ist zudem die hohe Anzahl französischer Hugenotten, die in beiden Städten Zuflucht fanden. Doch es gab auch eine Kaserne und eine Kolonie von Neuenburgern (der Name „Koloniestraße“ in der Nähe von Gesundbrunnen weist heute noch darauf hin). Neuenburg war nämlich verpflichtet, sowohl Familien als auch Soldaten, die „Gens d’Armes“, nach Preußen zu schicken, um das durch Kriege und Seuchen entvölkerte Land wieder zu besiedeln. Von den Beziehungen zeugt auch die Existenz einer „Neuchateller Straße“ sowie einer „Neuenburger Straße“, letztere in der Nähe des Jüdischen Museums. Auch die Namen mancher Berliner Berühmtheiten, wie der des Physiologen und Rektors der Berliner Universität Emil du Bois-Reymond sind mit Neuchâtel verbunden.
1. März 1848 – Neuchâtel, ein Schweizer Kanton
Das bei den Bürgern von Neuchâtel bekannteste Datum ist zweifellos der 1. März – heutzutage ein Feiertag im ganzen Kanton. Neuenburg stand seit jeher in engem Kontakt mit der schweizerischen Demokratie, doch erst im 19. Jh. wuchsen die eigenen Bestrebungen nach einer Autonomie wie sie die selbstverwalteten Kantone der Schweiz genossen. Nach einem gescheiterten Aufstand im Jahre 1831 war die republikanische Revolution am 1. März 1948 schließlich siegreich. Angeführt von Fritz Courvoisier zogen die Aufständischen von Le Locle in den Bergen hinunter an den Neuenburger See, um die Preußen endgültig aus Neuchâtel zu vertreiben. Damit hielt die Moderne Einzug im Kanton. Alexis-Marie Piaget wurde Vorsitzenden der vorläufigen Regierung und des ersten Staatsrats; auch beim Erlass der Verfassung und neuen Gesetzgebung des Kantons Neuchâtel spielte er eine wesentliche Rolle. 1856 scheiterte der Versuch einer royalistischen Konterrevolte, was dazu führte, dass Preußen offiziell auf seine Rechte bezüglich des Kantons verzichtete.
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Heute besteht der Kanton Neuchâtel aus sechs Bezirken, in denen ca. 165.000 Menschen leben. Die gleichnamige Hauptstadt hat 32.000 Einwohner, die zweitgrößte Stadt ist La Chaux-de-Fonds mit 38.000 Einwohnern, gefolgt von Le Locle mit 12.000 Einwohnern.
Wir hoffen, Ihnen mit diesem kurzen geschichtlichen Abriss einen informativen Überblick verschafft zu haben. Falls Ihr Interesse nun geweckt ist und Sie mehr über Neuchâtel erfahren möchten, hier ein paar Buchtipps. Die Bücher sind in der Buchhandlung Librairie Payot sowie bei der Touristeninformation erhältlich. Eine unvergleichliche Gelegenheit, die Altstadt und die Geschichte von Neuchâtel bietet sich auch bei einer spannenden Stadtführung mit einem Guide, der auf alle Fragen eingeht, die noch offen geblieben sind.
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